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  • AutorenbildKatie Caiger

Kulturelle Unterschiede hoch zehn: Wo ich als Deutsche "angeeckt" bin

Aktualisiert: 1. Sept. 2021


Obwohl Deutschland und England geografisch gesehen ja gar nicht so weit voneinander entfernt sind, gibt es einige Dinge, mit denen man aufwächst - und dann im Leben als Expat plötzlich feststellen muss, dass sie auf Widerstand stoßen. Mit einem kleinen Augenzwinkern verrate ich hier, was ich als Deutsche in England lernen durfte - und warum es eben diese Feinheiten sind, die für eine erfolgreiche Integration entscheidend sind.


Die liebe Direktheit: So unterscheidet sich die britische von der deutschen Mentalität


Ein Deutscher sagt, was er denkt, und scheut sich nicht vor Konfrontation (weiterführender Artikel). Im Gegenteil: sie wird als förderlich empfunden und gilt sowohl am Arbeitsplatz als auch im Freundeskreis als unabdingbar.


Dass das in England (und im Vereinigten Königreich insgesamt) definitiv NICHT der Fall ist, habe ich schnell und leidvoll feststellen müssen. Als Bridesmaid meiner walisischen Freundin zum Beispiel...


Auf die Frage hin, was ich von einem schicken Verwöhnwochenende in den Bergen zu ihrem Junggesellinnenabschied halten würde, antwortete ich in guter deutscher Manier (ohne überhaupt über kulturelle Unterschiede nachzudenken):


"Puh, ich glaube, dass das viel zu teuer für alle wird. Schließlich zahlen wir ja schon für unsere Kleider, und ich kann mir vorstellen, dass eine schöne Gartenparty vielleicht besser für alle ins Budget passt."


Das Resultat: Meine Direktheit, die ganz bestimmt bei deutschen Freundinnen als normal empfunden worden wäre, hat zu einem völligen Zerwürfnis geführt, dass wir erst nach Jahren aufarbeiten und klären konnten. Meine Freundin war zutiefst getroffen, verletzt, und richtete letztendlich eine Gartenparty aus, die sie "gar nicht wollte". Unsere Beziehung hat stark gelitten.



Kritik & Konfrontation vs. "The Shit Sandwich"


Zur Konfrontationsbereitschaft zählt auch, dass wir Deutschen nicht davor zurückschrecken, Kritik zu äußern. Wir sind ein Volk der Belehrer (und Besserwisser), meine Wenigkeit inklusive. Wenn wir meinen, dass andere von unserem Wissen profitieren können, offerieren wir unaufgeforderte Erklärungen. Das ist völlig un-englisch!


Zu allem Übel wird die Übermittlung unserer Kritik dann meist als "gefühlskalt" aufgefasst - wir zählen mit den Niederländern und Dänen zu den Ländern, die als "emotionally unexpressive (Artikel)" gelten. Großes Gefühlskino? Fehlanzeige. Hübsch verpackte Anregungen? Nichts da.


Im Englischen spricht man gerne vom Shit Sandwich - der Kunst, eine miese Nachricht nett zu ummanteln, damit sich das Gegenüber nicht vor den Kopf gestoßen fühlt. Liefert der Kollege nach der durchzechten Nacht eine Präsentation, die augenscheinlich auf den letzten Drücker erledigt wurde, würden die Reaktionen wahrscheinlich so ausfallen:


Deutscher: "Das war ja wirklich unter aller Sau."


Engländer: "Ich weiß Ihre Arbeit für gewöhnlich sehr zu schätzen (leckere Brötchenhälfte). Leider hat die heutige Leistung nicht ganz dem üblichen Standard entsprochen (Köttel). Ich bin mir sicher, dass es ein einmaliger Ausrutscher war, den Sie nun umgehend beheben werden (leckere Brötchenhälfte)."


You see? Eine wahre Kunst, die es sich anzueignen lohnt - nicht nur im beruflichen Kontext, oder?








Das typisch britische Understatement


Während sich der Engländer in völligem Understatement übt, wenn es um das eigene Können geht ("Oh, well, I suppose I'm not a complete idiot when it comes to..."), behauptet der Deutsche ja gerne von sich, was er alles mit *Bravour* meistert und ihm alles in die Wiege gelegt wurde.


Die englische Bescheidenheit ist schon sehr gewöhnungsbedürftig - anfangs fand ich sie einfach nur nervig, dann witzig, und mittlerweile gehört sie für mich so zum Alltag wie der schwarze Tee mit Milch oder Fish & Chips am Strand. Es ist charmant, wenn Menschen sich nicht ständig in den Himmel loben, sondern eher (wenn auch etwas überspitzt) auf dem Teppich bleiben. Das Überlegenheitsbedürfnis, was ich oft mit Deutschen verbinde (Das kann ich schon lange! Was, Du etwa nicht?) erschöpft mich inzwischen regelrecht :)


"DER BRITE" nimmt sich nicht so ernst


Für mich als Deutsche hat es sehr lange gedauert, das Understatement nicht mit fehlendem Selbstbewusstsein gleichzusetzen - das sind nämlich zwei Paar Schuhe! Anfangs dachte ich immer: "Mensch, der hält aber wenig von sich." Heute weiß ich: Das extreme Untertreiben ist Teil der britischen Kultur und des britischen Humors - dem sich unter anderem auch Monty Python sehr gekonnt bediente. Als in einer Filmszene von Der Sinn des Lebens auf einer Dinnerparty der Sensenmann erscheint und alle Gäste abholen will, bemerkt einer der Gäste trocken: "Well, that’s cast rather a gloom over the evening, hasn’t it?" (zu Deutsch: "Nun, das hat ein wenig Trübsinn in den Abend gebracht, oder?").


Also: Lerne, Dich und das Leben etwas weniger ernst zu nehmen - die englische Gelassenheit macht´s vor!





"Und dann meinte die so...": Sprachliche Feinheiten im Gespräch, die den Unterschied machen


Im Gespräch mit Deutschen ist es völlig normal, sich mit "er" oder "sie" auf Dritte zu beziehen, oder? Zumindest ist es mir nie untergekommen, dass sich jemand vor den Kopf gestoßen fühlte. Das mag auch daran liegen, dass ich im Ruhrgebiet/Münsterland groß geworden bin - hier heißt es auch gerne mal "ihmchen" (er) und "ette" (sie).


Auf Englisch geht das nicht.


Das mag jetzt furchtbar kleinlich klingen, aber bitte glaube mir, dass es als Respektmangel gewertet wird! Wenn Du den Namen des/der Dritten kennst, auf die Du Dich beziehen willst, nenne ihn. Wenn nicht, dann eben "The nice lady", "The gentleman over there", "Your lovely colleague" etc.


Schon in meinem Anglistikstudium hat unser irischer Professor immer wieder darauf beharrt, wie respektlos es für britische Ohren sei, "auf das Personalpronomen reduziert zu werden".


Achte mal darauf, wenn Du Dich mit Engländern unterhältst. Ich kann es Dir nur ans Herz legen, dieses Feingefühl zu entwickeln bzw. auszufeilen.



Das waren einige der Unterschiede, die mich anfangs sehr viel Mühe gekostet haben... Um sich nach der Auswanderung wohlzufühlen, in Großbritannien schnell Anschluss zu finden und kulturell nicht ständig der Elefant im Porzellanladen zu sein, ist es wichtig, sich diese Feinheiten bewusst zu machen.


Manches mag zunächst befremdlich sein - auch das ist normal. An andere Dinge wird man sich vielleicht nie so richtig gewöhnen!


Was zählt, ist jedoch die eigene Bereitschaft, im Leben dazuzulernen, sich nicht als "das Maß aller Dinge" zu betrachten und mit einer offenen Einstellung auszuwandern.




Meine zertifizierten Kurse und Programme zur britischen Sprache und Kultur für Auswanderer, Expats und Studenten findest Du hier.



Alles Liebe aus der Seaside Practice,

Deine Katie


 

Über die Autorin

Katie Caiger ist Jahrgang 1986, Ehefrau, Mama, ausgebildete Beraterin, Podcasterin und Mentorin mit den Schwerpunkten Resilienz, Selbstverwirklichung und Erfüllung. Sie stärkt Frauen dabei, im In- und Ausland ein zufriedenes, ausgeglichenes Leben zu führen. Die erfolgreiche Gründerin und Potenzialentfalterin ist zweifache Auswanderin und lebt mit ihrem britischen Ehemann, den gemeinsamen zwei Töchtern sowie Hündin Frida an der Südküste Englands in der Grafschaft Dorset. Außerhalb ihrer Sprechzeiten ist sie leidenschaftliche Fotografin, Outdoor-Abenteurerin und Mutstifterin.


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